Mit dem Slogan „Weltklasse in Biberach“ waren die Erwartungen hochge-schraubt – die Regensburger Domspat-zen erfüllten sie bei ihrem Konzert in der Stadtpfarrkirche St. Martin.
Günther Luderer
Biberach Mehr weihnachtliche Stimmung geht kaum: Draußen die Hütten des Christkindlesmarkts mit verlockenden Düften, drinnen die Regensburger Domspatzen mit einem facettenreichen Adventsprogramm. Lediglich Petrus zeigte sich schlecht gelaunt und bescherte Nieselregen statt romantischer, dicker Schneeflocken. Der berühmte Knabenchor erwies sich trotz des Gruselwetters als absoluter Straßenfeger: St. Martin war bis auf den allerletzten Platz gefüllt, als die gut 40 Jungs und jungen Männer durch den Mittelgang auf das Podest vor dem Volksaltar zogen. „Wie kommen denn die Regensburger Domspatzen nach Biberach?“, mag sich mancher fragen. Nun: Man kann sie buchen – mit breit gefächertem Programmangebot für die verschiedensten Anlässe.
Ein Blick auf die Chorhomepage zeigt, dass hinter dem weltberühmten Ensemble ein gewaltiges Unternehmen steht: Grundschule, Gymnasium, neuerdings auch Mädchenchor, gesangliche Ausbildung, Fanartikel vom Schlüsselanhänger über Kaffeebohnen (Espresso FORTE und Filterkaffee PIANO) bis zum T-Shirt. Veranstalter des Konzerts in der Stadtpfarrkirche war die Stiftung St.-Martin-Chorknaben-Biberach, deren Vorsitzender Johannes Walter die bayerischen Gäste, das Publikum und vor allem die Biberacher Chorknaben begrüßte, die auf der Empore gespannt darauf warteten, was die prominenten Kollegen wohl bieten werden. Mit der Einladung prominenter Ensembles im ZweijahresTurnus verfolge die Stiftung das Ziel, „das Kulturgut Knabenchor zu fördern“, so erzählt der Chorknabenleiter Johannes Striegel. 2016 seien die Domspatzen zuletzt in Biberach gewesen, auch der Dresdener Kreuzchor und der Tölzer Knabenchor hätten schon hier gastiert.
Zurück ins Jahr 2025, in dem die Regensburger Domspatzen ihren 1050sten Geburtstag feiern können. In einem ersten, gut 45 Minuten dauernden Programmblock, hatte Domkapellmeister Christian Heiß eine breit gefächerte Auswahl von elf Motetten zur Adventszeit zusammengestellt. Er spannte dabei einen Bogen von Andreas Hammerschmidts Aufruf „Machet die Tore weit“ über MarienKompositionen von Britten, Grieg und Becker bis hin zu Palestrinas „Hodie Christus natus est“. Einer der Höhepunkte war dabei sein eigenes Arrangement des bekannten „Maria durch ein Dornwald ging“ – harmonisch interessant, sehr farbig und vor allem veredelt durch ein wunderbar klingendes Baritonsolo. Man konnte sich gar nicht satthören an der Stimme des jungen Mannes, der nach der Pause einen zweiten solistischen Auftritt hatte, und der vielleicht nach seiner DomspatzenZeit seinen Weg als Sänger machen könnte, wie zahlreiche seiner Vorgänger.
Als spannendster Moment des ersten Programmteils entpuppte sich die Kombination von Michael Prätorius ́ „Es ist ein Ros entsprungen“, im Wechsel von Tuttichor und neunköpfigem Favoritchor gesungen, und – attacca angeschlossen – Jan Sandströms Fassung des Stücks aus dem Jahr 1990. Sandström bettet dabei den Originalsatz in einen achtstimmigen Summchor ein, das Ganze klingt wie ein großes Glockengeläut, die schwierigen Dissonanzen blitzsauber durchgehalten – wunderbar!
Nach einer Sitzpause für den Chor erklangen im zweiten Teil neun Motetten zur Weihnachtszeit, beginnend mit Johann Eccards „Ich steh an deiner Krippen hier“. Bei diesem Stück wurde besonders deutlich, was Musikfreunde nach dem Konzert diskutierten: Dass offensichtlich nur die Domspatzen wissen, wann es nach Christian Heiß ́ kunstvoller Auftaktbewegung wirklich losgeht. Bei Eccard wie bei allen anderen Stücken: Perfekte Einsätze. Staunen auch über immer neue Eindrücke: Aus der Motette „Ríu, ríu, chíu“ des im 16. Jahrhundert lebenden Mateo Flecha machten die Domspatzen ein rhythmisches Fest, in Ulrich Schichas „Lasst uns lauschen, heilige Engel“ begleitete der Männerchor ein engelsgleiches Sopransolo, glockenhell und anrührend. Beim Kehrvers „Stille, stille, horchet, lauschet, still, es schlummert süß mein Kind“ hätte man in der Stadtpfarrkirche eine Stecknadel fallen hören.
Bis hin zu den volkstümlichen Stücken am Ende des Programms zeigten die Domspatzen, was sie zu einem Weltklassechor macht: Bestens geschulte Stimmen, Disziplin und Konzentration, absolute Sicherheit bei Rhythmus und Intonation, sprachliche Klarheit – und vor allem: Sichtbare Freude am Singen. Große Freude am Konzert hatte das Publikum, bei dem sich die Jungs mit zwei Zugaben für den nicht enden wollenden stehenden Applaus bedankten, eine davon mit einem kleinen „Fehlstart“. Bei so viel Perfektion menschlich!


