Warum die St.-Martins-Chorknaben so viele Fans haben

Warum die St.-Martins-Chorknaben so viele Fans haben

Die Biberacher St.-Martins-Chorknaben haben bei ihrem Jahreskonzert überzeugt. Kein Wunder, dass so viele Zuhörer in die Stadtpfarrkirche kamen.

Lange Schlangen an den Kassen, nur wenige Restplätze in den hinteren Seitenschiffen – die St.-Martins-Chorknaben haben eine große Fangemeinde. Warum das so ist, haben sie beim Jahreskonzert in der Stadtpfarrkirche wieder gezeigt.

Was für ein stimmungsvoller Konzertbeginn: Auswendig singend zogen die Chorknaben mit den Klängen von „Alta Trinita beata“, einem italienischen Hymnus aus dem 16. Jahrhundert, langsam durch den Mittelgang ein und bestätigten mit perfektem Wohlklang gleich den wahren Kern der These von John Rutter, die Pfarrer Stephan Ruf in seinen Begrüßungsworten zitierte: „Ich halte Musik für sehr viel besser als Worte, und manchmal wünsche ich mir, man könnte unseren Politikern das Singen beibringen. Vielleicht wäre die Welt dann auch harmonischer.“

Ich halte Musik für sehr viel besser als Worte.

John Rutter

Johannes Striegel, seit 1992 Chorleiter und Vater des Erfolgs, hatte für das Jahreskonzert ein ebenso durchdachtes wie farbiges Programm ausgewählt. Die erste Werkgruppe bildeten 4- und 5-stimmige Motetten des 16. und 17. Jahrhunderts, bei denen Heinrich Schütz mit „Aller Augen warten auf dich“ und „Also hat Gott die Welt geliebet“ vertreten war. In beiden Kompositionen hatten die jungen Sänger viel Text auswendig zu lernen, den sie überzeugend und mit guter Aussprache wiedergaben. Johannes Striegel wählte angemessene Tempi und sorgte mit klarer Zeichengebung für sichere Takt- und Tempowechsel. Klug ließ er die Palestrina-Motette „Ego sum panis vivus“ mit ihrer anspruchsvollen Polyphonie von erfahrenen Ensemblemitgliedern in Kammerchorbesetzung singen.

Chorreise führt dieses Jahr nach Österreich

Wie gewohnt planen die St.-Martins-Chorknaben in den Sommerferien eine zweiwöchige Reise, die in diesem Jahr nach Österreich führt. Konzertstationen sind Salzburg, Wien und Linz mit dem Stift St. Florian, die Freizeitwoche findet bei Innsbruck statt. Dazu passend hat Johannes Striegel für das Jahreskonzert Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Anton Bruckner ausgewählt.

Für die Messen im Salzburger Dom schrieb Mozart 17 Kirchensonaten, einsätzige kleine Kostbarkeiten, die meisten davon für zwei Violinen, Orgel und Continuo. Sie wurden zwischen Lesung und Evangelium eingeschoben. In St. Martin eröffnete die Sonate F-Dur KV 244 den Mozart-Block, hübsch gespielt von einem achtköpfigen Streicherensemble und dem Pianisten Andreas Zeh. Ob Mozart in seinem himmlischen Domizil sein Stück wohl noch lieber angehört hätte mit dem Klang der Chororgel seines Dietenheimer Zeitgenossen Joseph Höß als mit dem künstlichen Sound eines Keyboards?

Von den drei Werken aus der Feder von Anton Bruckner gelang den St.-Martins-Chorknaben klar am besten und eindrucksvollsten das bekannte Graduale „Locus iste“ – wie man hört ein „Leib- und Magenstück“ von Johannes Striegel. Die Knaben meisterten den großen Tonumfang vom kleinen h bis zum g´´ beachtlich, fundamentale Bässe, ohne Mulm und ohne Kampf um die Tiefen, entspannte und homogene Tenöre bei „irreprehensibilis est“.

Swingend, rhythmisch sicher und kraftvoll

Am Ende des Programms dann Musik des 20. Jahrhunderts. Die Spirituals „Lord I Want to be a Christian” und „Witness“ schienen den Knaben auf den Leib geschrieben zu sein: Die Stimmen klangen frei und strahlend, der Chor sang swingend, rhythmisch sicher und kraftvoll bis hin zum strahlenden Dur-Schluss.

Mit John Rutters „The Lord bless you”, klugerweise vom unangenehmen Ges-Dur in die Wohlfühltonart F-Dur transponiert und sicher musiziert von Chorknaben und Streichern, ging ein bemerkenswertes Jahreskonzert 2024 zu Ende. Das heißt – nicht ganz: Voller Begeisterung erklatschte sich das Publikum stehend als Zugabe den Choral „Jesus bleibet meine Freude“ aus der Bachkantate BWV 147.

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